Basel Lute Days (14.-18. September 2022)
von Dr. phil. Ingo Negwer
Vom 14. bis 18. September 2022
luden die Schola Cantorum Basiliensis und die Deutsche Lautengesellschaft zu den Basel
Lute Days ein. Fünf Tage lang standen die Laute und ihr umfangreiches Repertoire im Fokus
des Interesses von Interpreten, Wissenschaftlern und Publikum. Zum Auftakt am Mittwoch
widmete sich die Internationale Gesellschaft für Musikwissenschaft dem Thema Tabulaturen
in westlicher Musik. An den folgenden beiden Tagen wurden während der zweiten International
Conference on Lute Study in Higher Education verschiedene Aspekte der
Hochschulausbildung junger Lautenisten und Lautenistinnen erörtert. Andrea Damiani, Paul
ODette, Marc Lewon, Nigel North und viele weitere renommierte Experten hielten zu
diesem komplexen Thema Vorträge, ehe am Freitagabend das Festival der Deutschen
Lautengesellschaft mit einem ersten Galakonzert eröffnet wurde. Den Auftakt machte Andrea
Damiani mit Raritäten römischer Lautenisten des späten 16. Jahrhunderts. Aus dem
Lautenbuch des Orazio Albani trug er mit sensiblem, sicherem Gespür für eine
transparente Stimmführung Werke von Lorenzino Tracetti und Vincenzo Pinti, genannt Il
Cavaliere del Liuto, vor. Paul Beier sorgte mit Silvius Leopold Weiss Sonata
Nr. 40 C-Dur für einen barocken Kontrast. Die große 13-chörige Barocklaute stehend
spielend, interpretierte er das ca. 30-minütige Werk unaufgeregt und kantabel,
hinsichtlich des Tempos und der Dynamik aber leider auch sehr kontrastarm. Anders machte
es nach der Pause Lynda Sayce, die ihr Kurzprogramm mit spielerischer Leichtigkeit, Charme
und Swing präsentierte. Eine gehörige Portion Spielfreude zeichnete ihre
Interpretationen von Tänzen und Grounds aus italienischen, französischen und englischen
Quellen des 16. Jahrhunderts aus. Einen weiteren Höhe- und gleichzeitig den Schlusspunkt
des Abends setzte Paul ODette, der sich gewohnt souverän und virtuos englischer
Renaissancemusik von Heinrich VIII., Philipp van Wilder, Anthony de Countie und weiteren
anonymen Meistern annahm. Das Publikum im voll besetzten Großen Saal der Schola Cantorum
dankte den Interpreten mit langanhaltendem Applaus.
Studierende, Profis und
Amateure hatten an beiden Festivaltagen Gelegenheit, sich bei den berühmten Virtuosen
ihres Instruments wertvolle Anregungen in den Meisterkursen zu holen. Eine
Verkaufsausstellung für Lauten und Musikalien ergänzte das reichhaltige
Festivalprogramm. Der Samstag stand darüber hinaus ganz im Zeichen wissenschaftlicher
Vorträge. Dabei wurden auch Pioniere der historischen Aufführungspraxis wie Walter
Gerwig (Sigrid Wirth) und Eugen Dombois (Anthony Bailes) gewürdigt. Anne Marie Dragosits
stellte neueste Erkenntnisse zur Biografie Giovanni Girolamo Kapspergers vor.
Anschließend entlockte Sigrun Richter in einem hörenswerten Gesprächskonzert einer von
Nico van der Waals renovierten Laute zauberhafte Klänge von Vincenzo Galilei, Alfonso
Ferrabosco, Kapsperger u.a. Aufgrund des dicht getakteten Programms blieb anschließend
nur wenig Zeit, um vom Restaurator Näheres zu der von Joseph Hellmer 1601 in Füssen
gebauten Laute zu erfahren. Denn schon folgte nach einer kurzen Pause der nächste, ebenso
informative wie unterhaltsame Vortrag. Hopkinson Smith erörterte mit zahlreichen
praktischen Kostproben Aspekte der Stimmung und Besaitung bei der Interpretation von
Werken Francesco Spinacinos, die zu den frühesten gedruckten Lautenkompositionen zählen.
Der Tag endete mit einem
zweiten Galakonzert im wiederum voll besetzten Großen Saal. Vor weit über hundert
Zuhörern gaben nun Jacob Heringman (Renaissancelaute), Catherine Liddell (Barocklaute),
Nigel North (Renaissancelaute) und Elizabeth Kenny (Theorbe) ihre musikalische
Visitenkarte ab. Heringman stellte Marien-Motetten von Josquin des Prez vor. Die
Bearbeitungen (Intavolierungen) für die sechschörige Tenorlaute von Ave Maria...
virgo serena und Ut Phoebi radiis hat Heringman im Stil des 16.
Jahrhunderts selbst angefertigt, die dreiteilige Motette Inviolata, integra es cast
es entsprang der Feder von Hans Gerle (um 15001570). Alle drei Werke stellten
in ihrer meditativen Gleichförmigkeit die Konzentration des Zuhörers durchaus auf die
Probe. Gleiches gilt leider auch für die Auszüge aus Denis Gaultiers La
Rhétorique des Dieux, die Catherine Liddell im Anschluss spielte. Die amerikanische
Lautenistin fokussierte sich sehr auf die rhetorische Agogik dieser meisterhaften
Miniaturen. Hingegen kam der tänzerische Charakter, der französischer Barockmusik
besonders zu eigen ist, kaum zur Geltung. Tempovariationen und dynamische Kontraste, auch
in diesem Stil wesentliche Momente, ließen sich nur erahnen. Nach der Pause bot Nigel
North quasi eine Hitparade aus dem Renaissancerepertoire der Laute mit Hans Newsidlers
Gutem Welschen Tanz, Francesco da Milanos Fantasia de mon triste, Alonso Mudarras Conde
Claros, Luis de Narvaez Cancion del Emperador u.v.a. Mit einem Augenzwinkern auf die Alte
Musik stellte er seinem Konzertbeitrag den Beatles-Klassiker Yesterday voran,
ehe er mit Newsidlers Arrangement des Liedes Nach Willen dein (Paul Hofhaimer)
das eigentliche Programm eröffnete. Mit weichem Ton, sensibler Gestaltung und einer
bemerkenswerten Virtuosität, die der Interpret ganz in den Dienst der Musik stellte, zog
Nigel North das Publikum vom ersten Ton an in seinen Bann. Das Finale gehörte Elizabeth
Kenny und ihrer Theorbe. Im Anschluss an Alessandro Piccininis Toccata cromatica stellte
sie dessen bekannten Partite variate sopra la Folia aria Romanesca (1623) der
atmosphärisch dicht komponierten Berceuse with seven variations (2018) von
Nico Muhly gegenüber. Mit einer spontan dargebotenen Zugabe Yesterday
bedankten sich Nigel North und Elizabeth Kenny für die Ovationen des Publikums.
Am Sonntagmittag endete das
Festival mit einem Gesprächskonzert des Casulana Lute Consorts. Unter dem Motto à
4 Luths - Musik für Lautenconsort stellten die ebenso versierten wie sympathischen
an der Schola ausgebildeten Lautenistinnen Renaissancemusik für Lautenensemble vor. Alice
Letort, Emma-Lisa Roux, Cornelia Demmer und Talitha-Cumi Witmer spielten auf verschiedenen
Instrumenten von der Diskant- bis zur Basslaute, einschließlich einer Cister
Tanzmusik von Giovanni Pacoloni, Madrigale in Arrangements von Emanuel Adraienssen
und Originalkompositionen für vier Lauten von Nicolas Vallet. Auch eine eigene
Bearbeitung des Madrigals Vaghamorosi augelli von Madalena Casulana, der
Namensgeberin des Quartetts, präsentierten die Musikerinnen in ihrem ebenso kurzweiligen
wie informativen Programm, das von Cornelia Demmer moderiert wurde. Emma-Lisa Roux sang
zudem das Air de Cour Est-ce Mars, das auch in einem Arrangement von Vallet
erklang. Dieses gelungene Finale wird dem Publikum sicher noch lange als einer der
Höhepunkte der Basel Lute Days in Erinnerung bleiben!
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